Gegenwartssprache, Schulbildung

August 2007

Inzwischen sind einige Jahre vergangen und es ist Zeit, über weitere Veränderungen, seit März 2004, zu schreiben.

Damals hatte ich auch schon erwähnt, daß heuchlerische Elemente unserer Gesellschaft sich in unserer Gegenwartssprache widerspiegeln. Der für mich neueste Ausdruck heißt "austherapiert". Kürzlich starb ein früherer Arbeitskollege von mir an Leukämie und Gehirnthumor. Die Frau berichtete mir, daß die Klinik ihren Mann mit der Diagnose, er sei "austherapiert", entlassen hat. Früher hätte man der Frau vielleicht schonend beigebracht, daß man für ihren Mann nichts mehr tun könne.

Weitere Beispiele für das Heuchlerische an unserer heutigen Medien-(Zeitungen, Radio, Fernsehen) Sprache:

Altersheim - Seniorenresidenz
Arm - sozialschwach
Abbruch - Rückbau
Tiere töten - Tiere einschläfern, neuerdings "keulen"
Personenzug - Regionalexpress
Einkauf ausländischer Fußballspieler - Spielertransfer
Preis für einen eingekauften Spieler - Transfersumme
Aussterben der Deutschen - demografischer Wandel
Müllverbrennung - Termische Rückstandsbehandlung

Selbst unser derzeitiger Bundespräsident ist sich nicht zu schade für diese Sprachkosmetik:
Die Vertriebenen sollen sich mit ihrem Schicksal abfinden - das drückt er so aus: Die Vertriebenen sollen ihr Schicksal annehmen.

Interessant für den Sprachinteressierten ist auch, daß sich in den über 40 Jahren der Trennung in den beiden deutschen Staaten die Sprache etwas abweichend entwickelte. Das ist, am Beispiel Österreich und Schweiz, verständlich aber nicht gravierend. Einerseits waren, den unterschiedlichen politischen und wirtschaftlichen Systemen geschuldet, abweichende Bezeichnungen unumgänglich, andrerseits gab es auch Abweichungen, die damit nicht zu begründen waren. 

DDR   Bundesrepublik
Plaste    Plastik
zu Weihnachten (Ostern)   an Weihnachten (Ostern)
Sonnabend   Samstag
Aschekübel   Mülltonne
hintereinander    am Stück
Broiler   Brathähnchen
gucken   schauen
gutschmeckend   lecker
Betrieb   Firma
Hirschkeule mit Rotkraut (-kohl)    Hirschkeule an Rotkraut (-kohl)
Klempner    Spengler (je nach Gegend)
ab und zu    ab und an
Geschabtes Rindermett   Rinderhackfleisch

 

Der Begriff "Karriere" war in der DDR in seiner Bedeutung negativ, im Sinne von Karrierist. Auch galt der Ausdruck "Billige Preise" als sprachlicher Unfug.

Gegnüber russischen Ausdrücken blieb das DDR-Deutsch weitestgehen imun, von Datsche, Sputnik und Soljanka mal abgesehen. Die russischen Besatzer wurden im Allgemeinen "Freunde" genannt, wobei jeder nach seinem Weltbild betonte: Der gläubige Kommunist sagte es mit Überzeugung und der "Ungläubige" mit Ironie.

Wie dem auch sei, von der DDR-Sprachentwicklung ist heute kaum noch etwas vorhanden.

Da wir bei unsere Muttersprache sind, mit ihr wird heute Schindluder gertrieben. Von den unnötigen englischen Wörtern schrieb ich schon. Das hat sich weiter fortgesetzt, ja ist noch schlimmer geworden. Wer da nicht über Grundkenntnisse im Englischen verfügt, kann manche Beiträge in einer deutschen Regionalzeitung(!) nicht mehr lückenlos verstehen!

Übertreffen - toppen
einkaufen - shoppen
Trainer - coach
Hemd - Shirt
Im Freien - Outdoor
Ereignis - Event
Rang- und Reihenfolge - Ranking
Höhepunkt - highlight
Gewinner des Spieles - matchwinner

Diese Aufstellung ließe sich beliebig lang fortsetzen. Schlimm ist hierbei eine besondere Form der Anbiedrei. Begriffe, die im Englischen und im Deutschen geichlauten, werden englisch ausgesprochen: Love Parade, Admirals cup, Patriot Raketen, Hannover Band, Mozart Players. Die Engländer sind da sehr sprachbewußt, der deutsche Rennfahrer Michael Schumacher wird generell meikel schumäker ausgesprochen. Noch vor ein paar Jahren sagte man Neu-Süd-Wales oder Nord-Carolina, heute wird alles in Englisch gesagt und geschrieben. Erstaunlicherweise hat die Themse bis jetzt überlebt.

Deutsche Sportmannschaften, besonders im Eishokey, geben sich englische Namen., in Leipzig jetzt "Blue Lions".

Deutsche gehen in ihrer Anbiederei mitunter soweit, nicht nur einzelne Wörter aus dem Englischen zu übernehmen, sondern auch Satzkonstruktionen: "Weil, da habe ich gedacht", statt "Weil ich gedacht habe". Auch der Ausdruck "in 1960" wird gern nachgeplappert. Oder die Namensnennung aus dem Amerikanischen: Johannes B. Kummer. Das deutsche Wort "Kindergarten" ist von anderen Sprachen übernommen worden, auch und gerade von der Englischen. Dafür wird es in Deutschland kaum noch gebraucht, da es durch "Kita" (Kindertagesstätte) ersetzt wurde. Mein Deutschlehrer dreht sich sicher im Grabe um, er war ein Gegner von "Aneinanderreihungen von Sprachstummeln", wie bei "Kita".

Dieser Deutschlehrer (Herr Rutte aus Zittau) erzog uns damals, das Wort "machen" möglichst nicht zu verwenden, da es zur Denkfaulheit verleitet. Wir sollten, beispielsweise, nicht sagen "Feuer anmachen" sondern "Feuer anzünden". Demnach sind heute ganze Politiker- und Journalistengruppen denkfaul:

Macht deutlich, macht Sinn, festmachen, deutlich machen, Druck machen, mobil machen, öffentlich machen, das ist mit uns nicht zu machen, Weg freimachen usw.

Der wunderschöne Konjunktiv in der deutschen Sprache (Luther: Was hülfe es dem Menschen, so er die ganze Welt gewönne und nähme doch Schaden an seiner Seele) wird immer weniger gebraucht: Ich würde es gern sehen, wenn Du kommen würdest. Wieviel schöner klänge doch: Ich sähe es gern, wenn Du kämest. Die Medien und Politiker pflegen kein gutes Sprachbewußtsein. Sprachentwicklung geht kaum mehr vom Volksmund aus, sondern wird den Medien verordnet und von diesen konsequent angewendet. So ist bei diesem unseligen Gleichstellungsfimmel durch Medien die Wendung "Merkel hat gesagt" üblich. Angela Merkel ist eine Frau! Wenn ich sage "Müller war hier", nähme doch niemand an, daß ich von Frau Müller spreche. Aber Verordnung ist Verordnung!

Früher sagte man, es ist sehr kalt. Heute ist es wahnsinnig kalt oder, unheimlich kalt. Das entspringt offenbar dem Hang zum Übertreiben.

Noch ein Ost-West Aspekt: Die alliierten Sieger des zweiten Weltkrieges hatten sich eine Umerziehung des deutschen Volkes vorgenommen. Jede Besatzungsmacht machte das auf ihre Weise. Grundtenor war, Naziregime war eine Verbrecherregime und alles was diese System hervorgebracht hat waren Verbrechen. Die Kontrahenten von Nazideutschland waren edel, lauter und rein. Die sowjetische Besatzungsmacht und ihre Lakaien taten das nach kommunistischer Manier, d. h. in Schwarz-Weiß-Malerei. Es wurde so dick aufgetragen, daß wir "denen" überhaupt nichts glaubten, auch wenn sie mal Recht hatten. Die westlichen Besatzungsmächte gingen geschickter vor und erreichten damit, daß ihre (schwarz-weiß) Ziele erreicht wurden. So wird ein in Westdeutschland aufgewachsener Deutscher immer die deutsche Schuld in allen Konstellationen des zweiten Weltkrieges betonen. So wurden 2 Millionen deutscher Frauen und Mädchen von der Sowjetsoldateska vergewaltigt, weil Hitler ja die Sowjetunion überfallen hat usw..

Unsere deutschen Landsleute sind sich nicht zu schade, angelsächsische oder amerikanische Sitten nachzuahmen. Die amerikanische Sitte, einen zweiten Vornamen mit der Abkürzung in den Namen aufzunehmen wird zunehmend nachgeäfft: Georg W. Mustermann.

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