Belege aus Spitzkunnersdorf und von der Familie

1947 - 600 Jahre Spitzkunnersdorf

Ein Jahr nach unserer Ankunft, feierte Spitzkunnersdorf 600-jähriges Bestehen. Die Plakette dazu entwarf eine eingeheiratete  Spitzkunnersdorfer Künstlerin: Heide Jungmichel, die aus Österreich stammte. Übrigens, unser Geburtsort Wüstewaltersdorf sollte dann im Jahre 2005 sein 700-jähriges Jubiläum unter anderem Namen und mit neuen Bewohnern feiern.
Die Spitzkunnersdorfer waren nicht nur gewerbefleißig, auch in Kultur und Sport bestanden zahlreiche, aktive Vereine: Der Sängerbund von 1850, die Schützengesellschaft von 1859, der Turnverein von 1861, die freiwillige Feuerwehr von 1885, die Musikkapelle von 1886 und der Militärverein. Aus dem Turnverein entwickelten sich dann Fuß- und Handball, Frauenturnen, Kunstradsport. In letzterem errangen die Spitzkunnersdorfer sogar internationale Ehren. Einige Vereine mußten nach 1945 ihr Bestehn beenden, andere wurden unter neuem Namen weitergeführt. In guter Erinnerung sind mir noch die Operetten- und Singspielaufführungen des Gesangvereines (Volkschor) im Saal des Kretschams, wobei sich der Spitzkunnersdorfer Horst Langer als Komponist hervortat. Auch der Turnverein ist mir in guter Erinnerung geblieben. So freute ich mich schon immer auf den wöchentlichen Turnabend im Kretscham-Saal. Wir waren mit allem nötigen Sportgerät, wie Barren, Reck, Ringe, Schwebebalken, Pferd, Bock, Matten, Kegeln, Medizinball usw. ausgerüstet. Erwachsene Turner übernahmen freiwillig, vermutlich auch ohne Bezahlung, die Betreuung. In diesem Zusammenhang ist mir der Name Oskar Herzog in guter Erinnerung.

Nachfolgend, aus der Geschichte von Dorf und Familie einige Belege.

600.jahre turnverein86 spitzturnverein
Plakette von Heide Jungmichel 1886 bestand der Spitzkunnersdorfer Turnverein
immerhin schon 25 Jahre
Etwas zerschlissen zwar, aber authentisch

 

spitzmilitaer1 spitzmilitaer2 hermneumann2
"Kaiser von Deutschland" war eine
unübliche Titulierung
Ansonsten, eine schöne Plakette des Militärvereins Großonkel Hermann, ein Prachtbild, zur Erinnerung
an seine Militärzeit (Ausschnitt)

 

kaufvertrag.1866
Am 20. November 1866 verkauft Christian Gottlob Hauptmann
an Johann Gottlieb Neumann, Gartenbesitzer und Kirchvater
(meinen Ur-Urgroßvater) die
Wiesen- und Feldparzellen 882 und 883 für 200 Taler.
verwundetenabzeichen.1918 Am 29. Juli 1918 bekommt Großvater das
Verwundetenabzeichen verliehen.
Für Kaiser und Reich war ihm am 22.August 1914 durch
französisches Schrapnellfeuer sein Bein
übel lädiert worden
.inflakarte.1923 Großvater Bernhard schreibt eine Karte von
Konradswaldau in Schlesien an seinen Bruder
Hermannn nach Spitzkunnersdorf - die Besonderheit:
Es war 1923, Inflation, die Karte ist mit
40 Millionen Reichsmark frankiert.

 

gefluegel1894 postschein1844 bartschere1
Vom "Verein für Geflügel- und Kaninchenzucht zu
Spitzkunnersdorf" wurde meinem Urgroßvater 1894
der erste Preis zuerkannt und diese schöne Schale spendiert.
Mit heutigen Worten: Eine Quittung für einen Einschreib-Brief,
ausgestellt 1844 in Zittau.
Diese Utensilien, Haar- und Bartschere, Rasiermesser mit Lederabzieher und Tabaksbeutel haben Großvater eine große Strecke seines Lebens begleitet. Meines Wissens war er nie bei einem Friseur.
teller seeger dresden.hoftheater.14
Von diesem Teller haben auch schon Urgroßvater, Großvater und Vater gegessen. Wir benutzen Ihn (und zwei weitere) auch immer noch. Das Dekor ist robust und spülmaschinenfest. Dieser "Seeger" ist etwa 150 Jahre alt und immer noch funktionstüchtig. Er zeigt, neben der Uhrzeit auch das Datum an. Großvater Bernhard, bereits eingezogen, schreibt eine Karte 1914 aus Dresden an seinen Bruder in Spitzkunnersdorf.

 

heide-jungmichel-maerchen1 heide-jungmichel-maerchen2 zugwaage
Die Spitzkunnersdorferin mit österreichischer Herkunft, Heide Jungmichel, hat ihr zeichnerisches Talent auch für die Illustration von Märchen erfolgreich eingesetzt. Hier eine Illustration des russischen Volksmärchens
"Die Steinerne Blume", von der Firma Fehrmann in Zittau auf Kleinbildfilm kopiert, zur Vorführung mit Projektor.
Eine uralte Zugwaage aus dem Neumann- Gehöft, sie befindet sich noch heute im Familienbesitz.

trafo

Das Leben in den ersten Nachkriegsjahren muß hier nicht näher erläutert werden. Die Hauptsorge galt dem Essen, schließlich sind 2 Millionen unserer Landsleute, nach dem Krieg, regelrecht verhungert. Die Hauptursache war der Verlust der Ostgebiete.
Glücklicherweise war diese Sorge, seit wir bei Onkel Hermann und Tante Lina in Spitzkuinnersdorf untergekommen waren, von uns genommen.
Wie alle Kinder, Edith war 8 oder 9, ich 10 oder 11, wünschten wir uns natürlich Spielsachen, mit unseren spielten ja inzwischen polnische Kinder. Zu kaufen gab es nichts, da waren Bastler mit Fantasie gefragt. So einer war der Bruder unserer Mutter, Onkel Helmut, der in den letzten Kriegswochen noch verwundet wurde und als Folge den rechten Arm eingebüßt hatte. Um diese Zeit, als alle Strukturen zusammenbrachen, galt es das Leben zu retten und da wurde wurde rigoros amputiert.
Wir erlebten mit, was alles ein Rechtshänder dem der rechte Arm, oberhalb des Ellbogengelenks amputiert worden war, alles nicht mehr konnte oder nur mit großen Schwierigkeiten. Onkel Helmut gehörte aber zu der Sorte Menschen, die nicht aufgaben. Zahlreiche Hilfsmittel ließ er sich einfallen, z. B. Sauger an einer Handbürste um sie am Waschbecken zu befestigen, sein Lineal war eine schwere Stahschiene, die sich nicht so leicht verschob und alle möglichen Haken, Schraubzwingen u. a. befestigte er an seiner Protese, um damit zu arbeiten.
So ist auch diese Trafohäuschen, das für mich unter dem Weihnachtsbaum lag, enstanden: Ein Sperrholz-Gasmaken- Kistchen (Kistel, wie die Oberlausitzer und Schlesier sagen), ein irgendwoher organisierter Klingeltrafo und das Bastelgeschick von Onkel Helmut hat mir eine Riesenfreude bereitet. Außerdem hat das Trafohäuschen wesentlich dazu beigetragen, mir ein solides Grundwissen der Elektrtechnik anzueignen, was ich Onkel Helmut verdanke und nie vergesse.

Im Jubiläumsjahr 1947 heiratete Onkel Helmut eine echte Spitzkunnersdorferin, Käthe Renger. Wobei anzumerken wäre, daß ja auch Onkel Helmut ein gebürtiger Spitzkunnersdorfer ist. Er wurde 1916 in Spitzkunnersdorf geboren, als Großvater im Krieg war und Großmutter in Spitzkunnersdorf von Schwager und Schwägerin, Hermann und Lina, aufgenommen wurde. Leider hat sich Hermann seinem Bruder Bernhard angeschlossen und die Hochzeitsfeier boykottiert. Erst 1951, nach der Geburt des Stammhalters Dieter Neumann (mein Cousin, der heute noch im Neumann-Grundstück wohnt) haben sich Vater und Sohn wieder ausgesöhnt. Die Ursache des Zerwürfnisses zwischen Vater und Sohn ist von den heute noch lebenden Verwandten nur zu vermuten.
Zur Kirche fuhr die Hochzeitsgesellschaft ausnahmslos mit Kutschen, die dann vor der Kirche warteten, bis die Trauung vorüber war. Wer Zeit hatte und Interesse, ging zum "Brautschaun" an die Kirche.

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Die schöne Anzeige ist auch von Heide Jungmichel Blick vom Neumann-Gehöft zur Kirche,
rechts die alte Kirchschule
Wir bekommen eine Cousine, Heidrun

 

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Die Hochzeitsgesellschaft im großen Saal des  Spitzkunnersdorfer
Kretschams, Dezember 1947, alle freuten sich auf´s Essen

windmuehleneueibauEs muß auch so um 1947 gewesen sein, als wir mit Großvaters Gespann (Ochse und Zugkuh) eine Ladung voller Getreidesäcke nach Neueibau zu einer noch in Betrieb befindlichen Windmühle brachten. Da hätte man eine Digitalkamera haben sollen, wenigstens einen normalen Fotoapparat. Wir, meine Schwester und ich, waren Zeugen einer funktionierenden, jahrhundertealten Technik, die man heute nur noch im Museum oder als Schauvorführung erleben kann.
Das nebenstehende Bild zeigt die besagte "Zimmermanns-Mühle" in Neueibau. Vielleicht die letzte die damals noch in Betrieb war, von den vielen Oberlausitzer Bockwindmühlen.
Die Windmühle, allerdings ohne Flügel, steht noch, wie ich 2007 feststellen konnte.
Das Bild sandte mir freundlicherweise mein Landsmann Wolfgang Otto aus Zirlau Kreis Schweidnitz, jetzt Oberoderwitz (Otto-Bäcker). 

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