Wüstewaltersdorf

wuestewaltersdorf ww1850 ww1880
Mein Geburtsort Wüstewaltersdorf, 1305 von deutschen Siedlern gegründet, drei Abbildungen des Ortes aus dem 19. Jahrhundert

Am 12. November 1938, früh gegen 6 Uhr, habe ich im Leuchtenberger Haus, Neuroder Straße 8, in Wüstewaltersdorf Kreis Waldenburg
in Schlesien mein Leben begonnen. Mein Geburtsgewicht war 9 Pfund und 200 Gramm. An den körperlichen Strapazen meiner Mutter beim
Schritt ins Leben ihres Erstgeborenen hat wohl unser allgemein geschätzter und beliebter Land- Haus- und Dorfarzt, Dr. med.
Friedrich Bösenberg, ein beträchtliches Maß Schuld. Er hatte nämlich meiner Mutter geraten, als er die Schwangerschaft
feststellte, sie müsse jetzt für zwei essen. 

Ehefrau Katharina Bösenberg hat übrigens am 25. Oktober 1999 noch ihren hundertsten Geburtstag erlebt.

Ich habe, natürlich ohne mein Zutun, ein ereignisreiches, schicksalhaftes Jahr für meine Geburt erwischt. Die Angliederung Österreichs und des Sudetengebietes ans Reich, die "Reichskristallnacht" waren 1938. Der Nylonstrumpf wurde auch 1938 erfunden und Max Schmeling besiegt Joe Louis in den USA. In der Sowjetunion ließ der Massenmörder Stalin Schauprozesse gegen ihm treu ergebene Mitarbeiter führen und sie anschließend hinrichten. Ein knappes Jahr später begann der 2. Weltkrieg.

ww38 Wüstewaltersdorf (~500 m ü. NN) ist ein Gebirgsort mit Textilindustrie (Leinen, Baumwolle), liegt sehr schön am Fuße der Hohen Eule (1014m), dem höchsten Berg des Eulengebirges. Damals ca. 3000 Einwohner, mit einer großen evangelischen und kleinen katholischen Kirche. Der Ort, mit seinen Eingemeindungen Dorfbach, Eckartsberg, Schlesisch-Falkenberg, Zedlitzheide, Grund, Friedrichsberg, Toschendorf, Wilhelmsthal hatte sich prächtig entwickelt. Zu der blühenden Textilindustrie kam zunehmend der Fremdenverkehr.

Im Winter brachten Sonderzüge die Wintersportler von Breslau direkt nach Wüstewaltersdorf. sonderzugbreslauZwei Dampfloks mußten vorgespannt werden, um die Züge ins Eulengebirge zu ziehen. 

Auf der anderen, der nord-östlichen Seite des Eulengebirgskammes liegen in 13 km Entfernung Peterswaldau und 17 km von Wüstewaltersdorf entfernt Langenbielau. Diese Orte im Kreis Reichenbach wurden in den vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts bekannt durch die Weberaufstände und später durch das Drama "Die Weber" von unserem berühmten Landsmann und Nobelpreisträger, Gerhart Hauptmann. Der Aufstand der schlesischen Weber, so formulierte es die marxistische Geschichtsschreibung später, war die erste, größere, selbständige Kampfaktion des deutschen Proletariats - ein Ereignis von nationalgeschichtlicher Bedeutung. Anzumerken wäre aber, daß die schlesischen Hausweber im marxistischen Sinne keine Proletarier, sondern Kleinbürger waren. Wie dem auch sei, die Not war damals groß und die Herrschenden unfähig, etwas gegen dieses Elend zu unternehmen. Sie haben damit ihre eigene Ordnung gefährdet und letztlich auch zur Abschaffung beigetragen. Die Sterbeeinträge in den Kirchbüchern von damals geben ein beredtes Zeugnis des Elends ab. Wer eine digitalisierte, zeitgenössische Untersuchung lesen möchrte:
http://www.digitalis.uni-koeln.de/Kries/kries_index.html

nach oben