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Die Baustelle

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Die Anfänge
Seit 1970 liefen, mit wechselnder Intensität, Verhandlungen zwischen dem irakischen Industrieministerium und dem DDR- Außenhandelsbetrieb Maschinenexport über die Lieferung einer Ziegelei nach Bagdad.
Wegen der politischen Zerwürfnisse mit dem Westen, suchte der Irak krampfhaft nach Ersatzlieferanten im Ostblock und anderswo. So hatten die Bulgaren schon vor der DDR eine Ziegelei geliefert. Ein irakischer Ingenieur, der dabei war, erklärte mir, daß mit den Bulgaren von der Mentalität her besser auszukommen sei, als mit den Deutschen - aber der technische Stand ließ doch sehr zu wünschen übrig.

Lieferbeginn
1974, als schon ein großer Teil der Ausrüstungen geliefert war, mußte ausgerechnet der Djala, Nebenfluß des Tigris, Hochwasser führen und den gesamten Lagerplatz überschwemmen. Ein beträchtlicher Teil der Ausrüstungen war unbrauchbar geworden und mußte nachgeliefert werden. So konnte mit der Montage der Ofenanlage dann erst im November 1974 begonnen werden.

Lage der Baustelle
Sie befindet sich am nordöstlichen, äußeren Stadtrand Bagdads, an der Straße nach Baquba. Direkt neben der Baustelle liegt ein kleines Dorf, ausnahmslos aus Lehmhütten. Einige der Dorfbewohner arbeiten mit auf der Baustelle.
Das Bürogebäude war im Juni 1974 schon vorhanden und auch eine kleine Kantine auf privater Grundlage. Wir deutschen Monteure haben uns Getränke und Frühstück mitgebracht, Mittagessen wurde in Kübeln von der DDR-Botschaft täglich zur Baustelle gebracht.


Flug Berlin - Bagdad
Die DDR-Fluggesellschaft Interflug war unser Transporteur für die Personen. Einmal pro Woche wurde geflogen, nachts, mit einer IL 62, von der die DDR 5 Stück besaß. Da konnte es schon mal passieren, daß durch Behinderungen anderswo keine Il 62 zur Verfügung stand, da wurde auf die IL 18 (Tubo-Prop) ausgewichen. Übrigens, eine der 5 Maschinen, war ständig für Regierungsflüge in Bereitschaft zu halten und die restlichen 4 deckten den gesamten Langstreckenflugverkehr ab.
Der Flug dauerte 6 Stunden, inklusive Zwischenlandung in Damaskus mit einer Stunde Aufenthalt. Dort nutzten wir die Zeit zum Einkauf im Zoll-frei Laden (duty-free), die Stange Zigaretten oder die Flasche Whisky bekam man für 3 Dollar oder 1 Iraki Dinar. Hinter dem Ladentisch saß ein junger Man, der alles abwickelte und die leeren und vollen Kartons alle mit den Füßen beförderte. Wenn wir den Laden dann verließen, sah es aus, wie nach einer Plünderung: Überall leerere Kartons und Holzwolle.
Wie die Bordinformation vom 1. 12. 1976 festgehalten hat, flogen wir in 10 km Höhe mit 850 km/h bei einer Außentemperatur von -57 Grad. Der Flugkapitän hieß Schreyer und die 5 Stewardessen trugen noch richtige deutsche Vornamen. 

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Was haben wir geliefert?
Mein Betrieb, Spezialbaukombinat Magdeburg, hatte von Maschinenexport Berlin (Staatlicher Außenhandelsbetrieb) den Auftrag zur Lieferung, Montage und Inbetriebnahme von zwei Tunnelöfen mit Schornstein zum Brennen von Mauerziegeln erhalten.
Für einen Tunnelofen ist mit einer Material- und Ausrüstungsmenge von 1000 t zu rechnen (Fundamente nicht berücksichtigt). Die Lieferung erfolgte ausnahmslos per Waggon, auf der legendären Bagdadbahn, die vor dem ersten Weltkrieg von Deutschland und dem Osmanischen Reich erbaut wurde. Die Ofenhalle, Fundamente und sonstigen Gebäude lieferte und baute der irakische Kunde.
Es waren zwei Nachbestellungen erforderlich, einmal, wie schon erwähnt, durch das Hochwasser. Die zweite Nachbestellung wurde erforderlich, weil auf dem Lagerplatz zweimal Feuer ausbrach (das einen Teil der Materialien für den Ofen beschädigte. Das war am 1.4.75 und am 9.6.75. Kurioserweise waren es die feuerfesten Schamotte-Deckensteine, die den meisten Schaden erlitten. Sie wurden durch das Feuer stark erhitzt und dann durch Löschwasser schnell und ungleichmäßig abgekühl. Die Folge waren Risse, die bei den hängend eingebauten Deckensteinen zum Herunterfallen von Teilen der Deckensteine geführt hätte. Also mußte die Bagdadbahn noch einmal bemüht werden um eine Ladung Hängedeckensteine von Wetro bei Bautzen nach Bagdad zu transportieren.
Natürlich führten solche Nachbestellungen auch zu Terminverschiebungen für das Vorhaben Ziegelei "30. Juli" Bagdad. Montagebeginn war der 15.12.74 und der Leistungsnachweis wurde am 2.5.77 abgeschlossen.


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Der erste Anblick der Baustelle, im Mai 1974 war nicht gerade ermutigend. Das Hochwasser des Djala hatte einiges Unheil angerichtet. Eine Inventur war erforderlich, um den Umfang der Nachbestellungen festzulegen. Die Baugruben für die beiden Tunnelöfen waren voll Wasser und Siegfried Pilz, der Vorposten der deutschen Monteure und ich gewannen der Situation auch etwas Positives ab und schwammen ein paar Runden im angenehm warmen Wasser.

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Mit den Auswirkungen des Djala-Hochwassers hatten wir noch eine Weile zu tun, links das Verwaltungsgebäude der Ziegelei und das rechte Bild zeigt die Zufartstraße zur Baustelle. In der Mitte bin ich mit dem Wächter aufgenommen, der noch rechtzeitig vor dem Hochwasser ausgelagertes Material bewacht.

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abgaskanal
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Das Hallendach wird montiert, heruntergefallen ist keiner.
Das war unser bester Maurer, da er auch mehr verdiente, als andere, wurde er nur zu speziellen Arbeiten eingesetzt. Gab es diese gerade nicht, mußte er zu Hause bleiben.
Mit dem Abgaskanal haben wir begonnen, da dafür Baufreiheit gegeben war. Ein Mauer, zwei Helfer - das war auch den sehr großen, willkürlich festgelegten Verdienstunterschieden geschuldet.
Die erste Arbeit am Tunnelofen selbst, war die Gleismontage. Der aufgesetzte Ofenwagen diente der Kontrolle auf Fehler in Zeichnung und Ausführung - es war alles in Ordnung.

Beschreibung eines Tunnelofens
Der Tunnelofen ist die modernste Art, Ziegel zu Brennen. Er hat den Hoffmann´schen Ringofen abgelöst. Beim Tunnelofen durchfährt das Brenngut (Ziegel) auf feuerfest aufgemauerten Wagen die 3 Hauptzonen des Ofens: Vorwärm-, Brenn- und Abkühlzone - beim Ringofen bleibt das Brenngut unbewegt und das Feuer wandert durch den Ofen. Die Wirtschaftlichkeit des Tuinnelofens besteht einmal darin, daß nicht das Ofenmauerwerk, wie beim Ringofen mit jedem Brennzyklus immer wieder aufgewärmt werden muß, sondern jede Zone behält immer die gleichbleibende Temperatur. Wärmeenergie muß nur für das  Brenngut aufgewandt werden (vom Wandverlust einmal abgesehen). Das Brenngut kommt verhältnismäßig abgekühlt aus dem Ofen, die Speicherwärme wird zum großen Teil für den Brennprozess ausgenutzt. Weiterhin kann man beim Tunnelofenbetrieb das fertig gebrannte Gut auf der Gleisanlage außerhalb des Ofens dorthin fahren, wo man es zur Entladung haben will.
Der Name "Tunnelofen" ist sehr sinnvoll, man kann ihn gut mit einem Eisenbahntunnel vergleichen.

Technische Daten eines Tunnelofens, Typ Irak
Jahresleistung: 30 Millionen Ziegel (NF 24x11,5x7,5 cm, 20 % Hohlraumanteil)
Besatz eines Tunnelofenwagens: 5500 Stück Ziegel, das entspricht, bei einem Gewicht des gebrannten Steines von 2,8 kg  = 15,4 t - also soviel wie ein Güterwaggon.
Anzahl der Tunnelofenwagen: 152 Stück, für 2 Öfen
Schubzeit:  Aller 85 min wird ein Wagen eingeschoben, der dann in 72 h den 130 m langen Ofen durchläuft
Brenntemperatur: ca. 1000 Grad Celsius
Ofeninnenmaße: B x H x L  5,30m x 2,80m x 130,00 m
Ofenaußenmaße (ca.): B x H x L  7,00m x  3,50m x 130,00m
Ofenbrennstoff: Leichtes Heizöl, Verbrauch 410 kg/h, dafür sind 130 St. Brenner in der Ofendecke angeordnet.

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Weitere Montage der Öfen
Nach der Verlegung des Ofengleises werden
die Seitenwände montiert, in diesem Falle besser gesagt, gemauert. Dabei werden alle Seiten- und  Höhenmaße vom Ofengleis abgenommen, da zwischen Wagenplateau und Ofenwand nur 3 cm Luft vorgesehen sind, müssen die Maße genau eingehalten werden.
Der Eigentümer der Ziegelei wird das Industrieministerium, also wird es ein Staatsbetrieb. Die Bauausführung erfolgte von Privatbetrieben (Contractors).

Die Ordnung auf der Baustelle ließ meist sehr zu wünschen übrig. Der ständige Kampf nervte und man gab manchmal auf.

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Das Ofengleis, Spurweite 3,50 m, ist der Bezugspunkt für alle Maße.



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Gruppenbild mit Autor
Die Öffnungen im Mauerwerk dienen der Zuführung von Kühlluft für das Ofengleis.


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Wir habe von der Ofenausfahrtseite begonnen, 130 m ist schon eine imposante Länge!

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Junge Kollegen
Leider waren unter den Arbeitskräften der privaten Bauunternehmer viele Kinder, die viel eher hätten zur Schule gehen sollen, denn im Irak ist die Analphabetenrate recht hoch. Aber, bei dem Kinderreichtum dortzulande sind die Familien auf die paar Dinar, die die Kinder verdienen, angewiesen. Hier bei ihrer Hauptbeschäftigung: Mörtelträger. Das Tragen  der Last auf dem Kopf ist für uns ein gewöhnungsbedürftiger Anblick.
Was mag aus ihnen geworden sein? Leben sie überhaupt noch? Sie wären heute um die 45 Jahre alt.


ofenverankerung-75Die Verankerungsrahmen  werden
montiert.


decke1-75Ein Teil der Hängedecke ist fertig, Blick in
Richtung Ofenausfahrt.


to1u2-75Beide Öfen mit teilweise montierter Decke
Die Verankerung und die Ofendecke
Als die Tunnelöfen früher noch nicht so breit waren und die Decke als Gewölbe ausgebildet wurde, diente die Ofenverankerung der Aufnahme des Gewölbeschubes. Tunnelöfen mit einer Brennkanalbreite (=Tunnelbreite) von über 5 m werden nicht mehr mit Gewölbe ausgeführt, der Schub wäre zu groß. An die Stelle des Gewölbes wird eine Hängedecke angeordnet. Schamottesteine, die Zugkräfte aufnehmen können, sind über Guß- und Stahlanker mit den Rahmen der Ofenverankerung verbunden. Die Verankerung dient jetzt nur noch der Aufnahme des Gewichts der Decke, mit Aufbauten. Sie erhält eine kleine Überhöhung von wenigen cm,  bei der Durchbiegung unter Last nimmt sie dann wieder die waagerechte Form an.

horizont-75 Über die irakischen Arbeitskräfte
Wie schon erwähnt, wurden die Bauarbeiten ausschließlich von Privatnternehmern ausgeführt.
Andere Gewerke, wie Schlosser oder Elektriker, hatten Arbeitskräft, die direkt von der staatlichen Bauleitung eingestellt wurden.
Zum Beginn der Bauarbeiten am Ofen war  kein Maurer auf der Baustelle, der schon mal einen Schamottetstein in der Hand gehabt hatte, so war erst einmal Berufsausbildung angesagt. Einige der Maurer auf der Baustelle waren handwerklich sehr geschickt und hatten schnell die Besonderheiten des Feuerungsbaues erfaßt. Sie waren am Ende der Ofenmontage durchaus mit unseren heimischen Maurern, was die Fertigkeit betraf, ebenbürtig.
Arbeitskräfte zu bekommen, war kein Problem, schließlich fuhren wir jeden Tag am Arbeitsamt vorbei und sahen die lange Schlange davor. Wenn ich den Unternehmer um weitere 5 Maurer bat, holte er 10 aus der Schlange vorm Arbeitsamt. Ein richtiger Maurer war kaum darunter, aber ein, zwei handwerklich geschickte Leute, die wir dann auch behielten.
Der Unternehmer brauchte kein Personal- oder Lohnbüro. Am Wochenende (Donnerstag, Freitag war Feiertag) kam er mit einem Bündel Dinarscheinen auf die Baustelle und verteilte diese. Wenn einer zu sehr schimpfte, zog er ihm auch schon mal einen Schein wieder aus der Hand. Die Kinder bekamen einen Viertel oder halben Dinar (2,50 bzw. 5,00 Mark) am Tag, gute Maurer mehrere Dinar.
Auf der Baustelle gab es auch eine Steinschneidemaschine zum Bearbeiten der Schamottesteine, die Wasserpumpe zum Staubbinden war aber defekt. Meine Einlassung, daß der Steinstaub Silikose verursacht, wurde mit einer Geste gen Himmel - und den Worten, "Allah kerim" (es hängt alles von Allah ab), beantwortet. Gegen Fatalismus kämpfen Götter selbst vergebens.
Das nebenstehende Foto entstand beim Besuch eines ADN-Korrespondenten auf der Baustelle, Mitte 1975, und erschien in der DDR-Wochenzeitung "horizont".

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Arbeitspausen
Zur Mittagspause blieben die meisten irakischen Kollegen auf der Baustelle, sie aßen gemeinsam, in kleinen Gruppen, das Mitgebrachte. Die Gruppe auf dem rechten Bild hat den Tunnelofen als Pausenort gewählt, weil es darin schön kühl war. Was nicht fehlen durfte, war Schwarzer Tee, der in einer Alukanne über einem Holzfeuer gekocht wurde, sehr stark und sehr süß. In die Kanne kam das Wasser und da hinein mindestens zwei Hände voll Tee, der dann länger kochte. Beim Ausgießen hielt man geschickt einen Löffel vor die Tülle, um die Teeblätter zurück zu halten. Ins Teeglas wurde vorher viel Zucker hineingetan. Wer es sehr süß liebte, rührte länger, bis aller Zucker aufgelöst war. Das Essen war vegetarisch: Fladenbrot oder Samun (eine kleines Brot aus Gerstenmehl) dazu Obst und Gemüse, wie Blattsalat, Datteln, Gurke, Tomate. Von jeder Gruppe, an der man  vorüber ging, auch wenn es fremde Arbeiter waren, kam die Geste, die zum Mittessen einlud!
Der ausdrucksvolle Charakterkopf auf dem mittleren Bild gehört zu einem der vielen "Inspektoren" auf der Baustelle, die aus irgendeinem Beziehungsgeflecht einen Posten auf der Baustelle bekommen mußten. Einfluß aus das Baugeschehen nahmen sie nicht.

Schornsteinbau
Zu unseren Tunnelöfen gehörte auch ein Schornstein - richtig schön aus Klinkern gemauert, viereckig mit zwei Rauchrohren und nur 10,50 m hoch. Die Höhe hatte es aber in sich, man brauchte schließlich ein Gerüst dafür. Was wir schon beim Hallendach gesehen haben, sind  Gerüste im Irak Mangelware, das hat etwas mit der natürlichen Holzarmut Mesopotamiens zu tun hat. Aus Palmenstämmen kann man keine Gesrüstbohlen sägen.
Der Schornstein wurde mit "Behelfsgerüsten" gebaut - passiert ist, Gott sei Dank, nichts.
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Das erste Gerüst am Schornstein bestand aus Kisten und Paletten, die der Verpackung
unserer Materiallieferungen gedient hatten.

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Die etwas überheblich wirkende Pose war von mir nicht beabsichtigt.
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Weiter oben dienten dann die Rohre unseres Ofengeländers (1 1/4"), zusammen mit Kisten und Paletten als Gerüst. Allah kerim!
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Auf so einem Gerüst arbeiten können nur eingefleischten
Fatalisten ohne Bedenken.

Kollegen

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Bis auf den Jungen vorn, sind auf dem Bild alles deutsche Kollegen, v. l. Seifert, Lorenz, Feige, Wunderlich, Koch, Bollmann, Leistritz, Mahlich. Pätzold, Uschmann, Wolf.
Die Kollegen Seifert (Notstromaggregat) und Lorenz (BMSR-Anlage und Elektro) waren Nachauftragnehmer von meinem Betrieb.
Eine Aufnahme vom Winter 1975/76, rechts neben mir, mit Helm, Abu Ali der kurdische Vorabeiter für die Schlosser, ein erfahrener Monteur, den ich sehr geschätzt habe, links neben mir einer der kleinen Helfer und daneben, im dunlen Jacket, Abu Hussein, der Vorabeiter der Maurer - er hat seine Sache auch gut gemacht. Rechts neben Abu Ali  Inspektor Fadhil.
Sitzend, v. l., Lothar Lorenz von WTI Jena, Rolf Erwertz, Schlosser, auch von Spezialbaukomb. Magdeburg, Wilhelm Stöger, Fa. Leisenberg Laubach/Hessen, Nachautragnehmer für die Ölbrenneranlage und der Autor mit Helm, neben mir, zwei irakische Kollegen, groß und klein.
Hinter uns einer der beiden Abgasventilatoren (Saugzüge) mit immerhin 40.000 m³ / h Leistung

Die Umgebung der Baustelle

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Diesen Anblick hatten wir täglich mindestens einmal, die Baustelle befand sich kurz hinter der Stadtgrenze, Richtung Norden.
Ein ganz und gar traditionelles arabisches Dorf, es befand sich direkt neben der Baustelle. Ich war dort sogar einmal zu einer Hochzeit eingeladen.
Unsere Konkurrenz, ein Hoffmannscher Ringofen einer privaten Ziegelei, wovon es über hundert im Irak gibt. Die meisten davon hatten keine Brenneranlage sondern nur Ölbehälter mit Tropfeinrichtung.

Geselliges, außerhalb der Baustelle

Obwohl es die zuständigen Stellen der DDR (Stasi, Außenhandelsbetrieb, Kaderabteilung) nicht wollten, daß mit ausländischen Kollegen private Kontakte geknüpft wurden, ja es direkt verboten war, haben wir uns nicht daran gehalten, nach dem Motto: Nicht erwischen lassen! Besonders streng verboten war der Kontakt mit Bundesbürgern, von dem wir ja auch einen auf der Baustelle hatten. Als Bayer war er kontaktfreudig und verstand solcher Gebote für DDR-Bürger überhaupt nicht.
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Beim Masgouf (Tigris-Fisch) Essen, v. l. Abu Hussein, Abu Ali, Christine und Wolfgang Leistritz

Hier sind wir bei der Familie eines Kollegen (assyrische Christen) eingeladen. Von links Sohn und Verwandter der Familie Gilliane, Holm Leistritz, Evelin Pilz, Christine Leistritz, Frau Gilliane, Herr Gilliane (Arm mit der Schnapsflasche)
Mein Kollege Jelil (rotes Hemd) und seine beiden Brüder mit Töchtern. Das Zuhause war sehr bescheiden, aber die Gastfreundschaft war überwältigend! Für den Gast wird alles aufgeboten! Siehe auch weitere Bilder von dieser Einladung unter "Bildgalerie 1".
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Wir besuchen Ktesiphon, hier vor dem Beduinenzelt, v. l.
unbekannt, Abu Hussein, Rolf Ewertz, Lothar Lorenz,
Wilhelm Stöger und Abu Ali (3x Irak, 1x Bundesrep., 2x DDR).
Hier stehen wir vor den Resten des berühmten Palastes von Ktesiphon aus dem 3 Jahrhundert, der Bogen hat eine Spannweite von 25,5 m. Interessant, zur Gewichtsverminderung wurden damals schon Ziegel mit Ausbrandstoffen hergestellt. Die Techniologie gibt es heute noch. Hier hatten die Perser mal ihre Hauptstadt, bis sie von den Arabern im Jahre 637 n. Chr. vertrieben wurden.
Beim einem der vielen Getränkeläden war Löwenbräu-Bier aus München eingetroffen, ein Grund, bei der abendlichen Heimfahrt mal auf eine Büchse anzuhalten. V. l. Shopper, Autor, Rolf Ewertz und Dieter Pätzold und zwei kindliche Helfer. Der Irak war zu dieser Zeit kein religiös-fundamentalistisches Land. Wer wollte, konnte in aller Öffentlichkeit Alkohol trinken.


Im September 1976 ist die offizielle Einweihung der Ziegelei "30." Juli

Die irakische Bauleitung und Werkleitung hatten alles gut vorbereitet, genügend Sitzgelegenheiten, für die Prominenz etwas weicher, ein weißes Band zum Durchschneiden, Rednertribühne, Ehrenjungfrau, Rednerpult - sogar ein Imam war da. Der erste Ofen war bereits am 17.5.76 zur Austrocknung gezündet worden und befand sich zur feierlichen Einweihung bereits in Betrieb.

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Die Prominenz, ein Unterstatssekretär trifft ein (Bildmitte),
ganz rechts Hatem al Bawi, der Werkleiter, ein früherer Offizier.
Diese Zeremonie ist wohl überall auf der Welt gleich! Als Blumenmädchen (oder Ehrenjungfrau) war eine hübsche Arbeiterin der Ziegelei ausgesucht worden.
Die irakische Prominenz, ganz links, Abduhl Adhim al
Hamdani, der Resident Ingenieur, Bauleiter der Ziegeleibaustelle, unser irakischer Partner

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Abdul Adhim al Hamdani eröffnet die Feier
Der Herr Unterstaatssekretär hält eine kleine Rede

Der Imam tut auch seine Pflicht, im Hintergrund,
Hatem al Bawi, der Werkleiter

Die 2 Tunnelöfen sind fertig

In dem damaligen wirtschaftlichen Boom im Irak wurden die Ziegeln aus unserem Werk dringend erwartet und buchstäblich von den Leuten in den Schlange stehenden Fahrzeugen dem Beladepersonal aus den Händen gerissen. Die Öfen liefen sehr zufriedenstellend, aber die Störanfälligkeit der Aufbereitungsanlagen war erheblich und so war der Ofenbetrieb von ständigem Auf und Ab gekennzeichnet. Von den 17 Tunnelofenwagen, die in 24 Stunden mit gebrannten Steinen aus dem Ofen kommen mußten, waren es oftmals nur 8 oder 6. Die Öfen mußten dadurch laufend neu eingestellt werden. Nicht unerwähnt bleiben sollte, daß der Vetrag über technische Hilfe nur mit mir, für die Ofenanlage zu stande kam. Die Aufbereitungsanlagen der Kema Görlitz (Tonaufbereitung, Formgebung, Trocknung) mußten von den irakischen Betreibern allein in Gang gehalten werden.

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Tunnelöfen 1 und 2 von der Einfahrtseite aus
gesehen, die beiden Steuerschränke gehören
zu Auszugsmaschine und Ofentür.
Die Leisenberg-Ölbrenneranlage auf der Brennzone des Tunnelofens 2
In der Meßwarte, v. r. Wilhelm Stöger, Monteur der Firma Leisenberg, daneben meine Wenigkeit.
Leisenberg-Brenner, Detailansicht
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Ofeneinfahrt des Tunnelofens 2, die getrockneten, aber ungebrannten Steine werden in den Ofen gezogen.
Ofenausfahrt des Tunnelofens 1, die gebrannten Ziegel kommen aus dem Ofen
Der 10,50 m hohe Schornstein mit den 2 Saugzügen (Ventilatoren)
Unter dem Bildnis Saddam Husseins wird das irakische Ofenpersonal in der Messwarte auf die Übernahme der Anlage vorbereitet.



Auch die anderen Anlagen laufen

Unter den Arbeitern sind sehr viele junge Mädchen. Das konnten wir damals feststellen, der irakische Staat (Saddam Hussein war gerade an die erste Stelle gerückt) bemühte sich sehr, auch die Mädchen unmd Frauen überall teilhaben zu lassen. Diskriminierung der Frauen, wie aus streng religiösen islamischen Ländern bekannt, war man bemüht, abzubauen.
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An der Tonbeschickung - für das Entfernen
der Palmenwurzeln gab es keine Maschine,
das war nur manuell möglich.
Mit diesen Ladern wurde der Ton aus der nahegelegenen Grube herangefahren.
Die Beschickung der Trocknung mit den abgeformten Ziegelsteinen
Die getrockneten Ziegeln werden von Hand auf die Tunnelofenwagen gesetzt - eine körperlich schwere und auch eintönige Arbeit.

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Uns kamen die Mädchen manchmal aufgeklärter als die jungen Männer vor, auch ihr Selbstbewußtsein war für Mädchen in einem arabischen Staat recht gut entwickelt. Wer auch bei der Arbeit traditionelle Kleidung trug (d. h. das Haar verbergen mußte), stammte meist aus sehr konservativer Familie. Die Ziegelei respektierte das - von ihrer Seite gab es keine Vorschriften. Freilich, als Vorgesetzte oder in leitenden Funktionen der Ziegelei gab es nur Männer.

Noch ein paar Fotos rund um die Baustelle

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Das ist Amin, der stets zuverlässige, freundliche und
geduldige Fahrer des für uns gecharterten Kleinbusses.

Unser Baustellen-Pkw, ein Peugeot-Kombi, konnte 8 Personen befördern und hat uns nie im Stich gelassen.
Die Kantine in der Anfangszeit der Baustelle
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Ab und zu mußte einer der Contractoren einen ausgeben,
da gab es keinen Kasten Bier, sonder ein Essen - Gusi.
Das war Hammel mit süßem Reiß, schmeckte ausgezeichnet. Die Löffel waren für uns, normalerweise
wurden nur die Händen genommen.
Unser Dolmetscher von der Fa. Intertext, Roland Uschmann, war nicht nur sprachbegabt, er schuf dieses Kunstwerk aus einem Klumpen Ziegelton, während der Frühstückspausen nur mit einer Büroklammer. Nach Fertigstellung und Trocknung haben wir den Kopf im Ofen gebrannt.
Es konnte durchaus passieren, daß man früh in seinen Arbeitsschuhen so eine Riesespinne fand. Angeblich war diese Art aber ungefährlich.
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Das waren die Wächter der Baustelle - die waren nicht harmlos, sie hatten Revolver, mit denen sie schon mal herumstreunende Hunde abschossen.
Mit großem personellen Aufwand wird die Baustelle für einen Staatsfeiertag geschmückt.
Unser Holm auf Baustellenbesuch, das Los seiner irakischen Altersgenossen machte ihn auch schon damals nachdenklich. Er war zu dem Zeitpunkt knapp 11 Jahre.

Zum Abschluß noch zwei Fotos mit irakischen Kollegen von Bau und Werk

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Die Aufnahme entstand im September 1976, zur offiziellen Einweihung der Ziegelei.
Auf ihr sind nahezu alle Mitarbeiter, die "etwas zu sagen haben" zu sehen, sowohl von der Bau- wie von der Werkleitung, auch die Chefs der ausführenden Firmen für den Hochbau und den Ofenbau.
Von links, 2  Arbeiter vom Ofenbau, der Contractor für den Ofenbau, Mr. Fadhil, ein Ingenieur der Bauleitung, der Vorarbeiter für den Ofenbau, Abu Hussein, 2 Arbeiter vom Ofenbau. Im Hintergrund zu sehen sind Saugzug und Schornstein.

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Hier bin ich mit den irakischen Kollegen, die für die Ofenanlage
vorgesehen sind. Alle sind sehr lernbegierig, manchmal etwas übereifrig.
Drei davon sind Kurden.